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Neurogene Sprachstörungen treten infolge einer Schädigung des Gehirns auf. Ursachen können Ereignisse wie ein Schlaganfall oder eine Hirnblutung, Hirnverletzungen im Rahmen eines Unfalls oder neurologische Erkrankungen (z. B. Parkinson-Krankheit oder Multiple Sklerose) sein. Die Erscheinungsformen neurogener Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen können sehr unterschiedlich sein. In Abhängigkeit von der jeweiligen Ausprägung unterscheidet man folgende logopädischen Störungsbilder:
Aphasie
Der Patient hat Schwierigkeiten beim Sprechen, aber auch beim Verstehen gesprochener Sprache, sowie beim Schreiben und Lesen. Die Probleme können von leichten Wortfindungsstörungen bis hin zum vollständigen Sprachverlust reichen.
Folgende Hauptformen der Aphasie werden unterschieden:
- Globale Aphasie: Die Kommunikationsfähigkeit ist stark eingeschränkt. Es treten fast ausschließlich Sprachautomatismen auf, die sich im Gebrauch von wiederkehrenden Silben oder kurzen Wörter äußern (z.B. „hallo“ oder „dadada“). Der Sprachfluss und das Sprachverständnis sind deutlich eingeschränkt.
- Broca-Aphasie: Menschen mit dieser Störung können einem Gespräch gut folgen, ihr Sprechen ist jedoch von großer Anstrengung geprägt. Die Äußerungen sind durch kurze, oft telegrammstilartige Sätze gekennzeichnet (z.B. „ich – Sommer – Urlaub“).
- Wernicke-Aphasie: Das Sprachverständnis ist stark eingeschränkt. Der Sprachfluss ist normal, teilweise überschießend. Dabei ist das Sprechen aber oft inhaltsleer. Betroffene verwenden viele Umschreibungen und Floskeln, da sie sich nicht genau mitteilen können.
- Amnestische Aphasie: Hauptmerkmal sind die ausgeprägten Wortfindungsstörungen. Der Sprachfluss ist normal bis verlangsamt und durch Suchverhalten und Satzabbrüche gekennzeichnet.
Dysarthrie/Dysarthrophonie
Aufgrund von Bewegungsstörungen sind die Artikulation, die Stimmgebung und die Atmung gestört.
Häufige Merkmale sind:
- Leises, monotones, undeutliches Sprechen
- Fehlerhafte Lautbildung
- Veränderte Sprechmelodie (Prosodie)
- Velangsamtes oder zu schnelles Sprechen
- Rasche Stimmermüdung
- Zittrige und/oder heisere Stimme (Stimmtremor)
- Verminderte Mimik und Gestik
- Beeinträchtigung der Sprechatmung
Sprechapraxie
Nicht der Bewegungsapparat selbst, sondern die Programmierung von Sprechbewegungen im Gehirn ist gestört. Der Patient zeigt häufig Suchbewegungen beim Versuch zu sprechen. Typische Symptome sind:
- Bildung falscher Laute im Wort (z.B „Nanane“ statt „Banane“)
- Vertauschung, Auslassung von Lauten oder Silben (z.B. „Bohrschine“ statt „Bohrmaschine“)
- Suchbewegungen Lippen und Zunge beim Sprechen
- Auffälligkeiten bei der Akzentuierung
- Gehäufte Dehnungen von Vokalen und Konsonanten
- verlangsamtes Sprechtempo
Schluckstörung (Dysphagie)
Der Patient hat Schwierigkeiten bei der Aufnahme von flüssiger und/oder fester Nahrung. Die Mundhöhle, der Rachen, der Kehlkopf, die Speiseröhre und der Mageneingang können in ihrer Funktion und Koordination beeinträchtigt sein. Häufige Symptome sind:
- Motorische und sensorische Beeinträchtigung des Schluckaktes
- Häufiges Verschlucken, Würgen, Räuspern und Husten während oder auch nach der Nahrungsaufnahme
- Unkontrollierter Speichelfluss
- Ansammlung von Speiseresten in den Wangentaschen
- Belegte, raue und/oder gurgelnde Stimme
Bei einer Dysphagie besteht immer auch eine Aspirationsgefahr. Das bedeutet, dass Nahrung oder Flüssigkeit in die Lunge gelangen kann. Wenn dies geschieht besteht Lebensgefahr für die Betroffenen.
Therapie
Im Rahmen der logopädischen Therapie neurogener Störungen geht es darum, die eingeschränkten kommunikativen Fähigkeiten sowie die Stimm- und Schluckfunktion der Patientinnen und Patienten bestmöglich zu fördern.
Im Folgenden sind beispielhaft einige Möglichkeiten genannt, die Inhalt der Behandlung sein können:
- Stimulierung von vorhandenen, aber nicht abrufbaren sprachlichen Fähigkeiten
- Systematische Übungen zum Sprechen, Schreiben, Lesen und Verstehen
- Übungen zur Verbesserung der Atmung, Stimmgebung, Artikulation und allgemeinen Verständlichkeit
- Mundmotorische Übungen zur Verbesserung der Kiefer-, Lippen- und Zungenbeweglichkeit
- Übungen zur Verbesserung der oralen Nahrungsaufnahme
- Gewöhnung an Nahrung verschiedener Konsistenz, Temperatur und verschiedenen Geschmacks
- Hilfestellung beim Essen und Trinken
- Auswahl und Anpassung des Nahrungsangebotes
- Aufklärung, Beratung und Anleitung von Angehörigen
Bei neurogenen Störungen ist eine vollständige Wiederherstellung der verlorengegangenen Fähigkeiten der Betroffenen oftmals nicht möglich. Ziel der logopädischen Therapie ist eine größtmöglichen Verbesserung bzw. der Erhalt der vorhandenen Fähigkeiten. Hierdurch soll eine bestmögliche Bewältigung und Teilhabe am täglichen Leben der Patientinnen und Patienten erreicht werden.
Verbände und Selbsthilfegruppen